Kürzlich habe ich erstmals den Film Avatar gesehen. – Ein erstaunliches und für mich ausgesprochen anregendes Erlebnis! Die meiste Zeit über war ich neugierig und aufgeregt ins Geschehen vertieft, körperlich ganz präsent und mit den Akteuren mitfiebernd.
Der Film hat mich auf voller Länger überrascht, schon weil ich ihn mir ganz anders vorgestellt hatte. Obwohl die filmtechnischen Leistungen mir den Atem raubten, drängen sie sich nicht in den Vordergrund. Was ich gesehen habe, ist ein fesselndes Traumbild unserer Zeit, in Farben und Formen brilliant ausgereizt und ins Herz treffend.
Sich verbinden
Wo die Hauptfigur, ein junger Kriegsveteran im Rollstuhl, weil gelähmt, in den Avatar-Körper „einsteigt“, sich verbindet mit dieser organischen Hülle, die aus menschlicher und der DNA der Planetenbewohner im High-Tech Labor gezüchtet worden ist, hat sich in mir ebenso eine Verbindung hergestellt. – Eine Erkenntnis, die ich körperlich spüren konnte.
Sein Geist, der eines kampfgeschulten Marines, mit all seinen Erfahrungen und Überzeugungen, übernimmt die Kontrolle über einen menschenähnlichen Körper mit teilweise aber völlig unbekannten Fähigkeiten und Eigenschaften. Dies entspricht für mich der Verbindung unseres Geistes mit unserem materiellen Körper, die wir oft gar nicht mehr wahrnehmen, geschweige an der wir arbeiten.
Wie er von einer der Planetenbewohnerinnen in die Lebensweise ihrer Art eingeführt wird, gleicht der Blitzentwicklung eines Säuglings zum Erwachsenen. Doch muss er seine durchaus schon erwachsenen, als Mensch gelernten Erfahrungsmuster durchbrechen um dem sehr ursprünglichen, naturverbundenen und kraftvollen Welt- und Selbstbild dieses Volkes nahe zu kommen.
Wir sind von Anfang an mit unserem Körper mitgewachsen, und unser Körper mit uns.
Auf vielen Ebenen hat sich die Erfahrung von Verbundenheit wie ein Rudel süßer Welpen an mich heran gemacht und mich verzaubert.
- Einmal schon als die körperlich erlebte Verbindung mit der dargestellten Handlung, die Spannung, die Aufregung.
- Diese Verbindung konnte ich gespiegelt sehen in der – im Film technisch möglichen – Verbindung eines Menschen mit seinem Avatar-Körper, der auf dem fremden Planeten handlungs- und überlebensfähig ist. Vom Menschen kommen de facto einzig seine nicht-körperlichen Qualitäten (Geist, Seele?), sie verbinden sich mit den körperlichen Qualitäten des künstlichen Wesens. Und doch scheint da noch mehr darin zu stecken.
- Verbindung findet statt in der Begegnung des beseelten Avatars mit der Frau des Planetenvolkes. Sie wird seine Lehrerin.
- Die größte Lektion, die es zu lernen gilt, ist für den kämpferischen Geist des Ex-Soldaten die Verbundenheit mit allem, was um ihn herum ist. Ob es die wilden Tiere sind, die ihn zerfleischt hätten in seiner Unerfahrenheit, die exotischen Pflanzen in ihrer phantastischen bunten Pracht, oder die Samen des Ahnenbaumes, die ihn begrüßen und damit bekunden, dass er auf dem Planeten willkommen ist. Seine Verbundenheit mit allem, erkennbar im Respekt für und dem Wissen um die Arten und Formen des Lebens um ihn, gipfelt schließlich in der Fähigkeit, einen Flugdrachen zu zähmen und ihn zu reiten.
- Ein materielles Zeichen des Verbindens, das sowohl zwischen den Einwohnern untereinander, als auch zwischen ihnen und Tieren oder Pflanzen immer wieder für Einstimmung und wertschätzenden Austausch s
orgt, ist die Vereinigung von feinen Härchen aus dem langen Zopf der Wesen mit denen des anderen oder speziellen „Organen“ der jeweiligen Lebensform.
- Dass Verbundenheit auch nonmateriell besteht, zeigt die Kommunikation mit anderen über weite Entfernungen hinweg. – Es wirkte auf mich fast wie das Reden über Sprechfunk, aber ohne jegliches technisches Hilfsmittel.
Das volle Potenzial
In der Geschichte sind die Planetenbewohner – ähnlich den Ureinwohnern unserer „unzivilisierten“ irdischen Landstriche – als im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Qualitäten dargestellt. Sie leben bewusst. Dazu gehört die Kenntnis ihrer eigenen Fähigkeiten, ihrer jeweiligen besonderen Bestimmung, als auch das Wissen über das, was sie umgibt, was sie nährt, was ihnen schadet, was sie heilt.
Diese Informationen ermöglichen ihnen als Gemeinschaft zusammen zu leben, in der jedes Individuum seine Stärken entwickelt und einbringt. So wird auch der „falsche“ Stammesgenosse unterstützt seine Eigenschaften zu entdecken und die Zusammenhänge zu erlernen.
In Avatar kommt sehr deutlich zum Ausdruck, welche Rolle die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, das gemeinsame Tun und Wirken dabei spielen, wenn es darum geht seine Fähigkeiten und Stärken zu entwickeln. Der Neuling erfährt Ermutigung und Zweifel, Unterstützung und Ungeduld. Doch grundsätzlich bekommt er eine Chance, – Raum und Zeit und Vertrauen.
Da die Planetenbewohner mit den Kräften der Natur um sie herum verbunden sind, wissen sie deren Zeichen zu deuten. Sie spüren und wissen sich eingebunden in ein großes System, das von der Wissenschaftlerin in einer Sequenz als mit den Nervenverbindungen unseres menschlichen Körpers vergleichbar erkannt wird: der gesamte Planet als ein makrokosmisches Gehirn, in dem jeder Bestandteil Zugriff auf das große Ganze hat.
Entscheidung
Ich erkenne jetzt, aus einer völlig neuen Perspektive, plastisch und prägnant, dass auch mir als Mensch dieser Zugriff offen steht. Entscheide ich mich dafür diesen großen Zusammenhang zu sehen, zu fühlen, zu nutzen, dann bekomme ich Zugriff zu den Kräften, dem Wissen, das in allem steckt. Denn mein Erdendasein folgt sehr ähnlichen Gesetzen.
Körper und Geist sind eng miteinander verbunden, solange sich beides naturgemäß entwickeln kann. Gestern konnte ich zum Beispiel ein Baby dabei beobachten. Es nutzte die Haarspange seiner Mutter auf dem Boden als Trainingsinstrument. Die selbst gesetzte Aufgabe, dieses Objekt immer wieder zu greifen und anschließend weiter zu schubsen, forderte seine gesamte Aufmerksamkeit und Konzentration.
Es experimentierte mit Körperspannung, Drehbewegungen, Aufbäumen auf allen Vieren und Ausstrecken der Arme, ein – für den geschulten Blick einer Tänzerin – ganz ausgeklügeltes und facettenreiches, und durchaus anstrengendes Körpertraining. Durch andere Augen gesehen wiederum sensomotorische Übungseinheit, Yoga, etc.
Das Gehirn muss lernen
Spätestens mit Gerald Hüther ist es auch wissenschaftlich untermauert, dass unser Gehirn zum Lernen geschaffen ist. Es tut nichts anderes. Und das Gehirn ist bekanntlich mehr als nur die sensiblen Windungen in unserem Schädel. Man weiß inzwischen, dass sich Lernen und Denken über unseren gesamten Körper erstreckt. In den Zellen sind Erinnerungen gespeichert, die die Qualität ihrer Tätigkeit (gesund und lebendig oder krank und absterbend) ausmachen. Alle Teile unseres Körpers sind Bestandteil eines großen zusammengehörigen Gefüges, vergleichbar mit dem Planeten in dem Film.
Der Output zeigt den Input
Ich glaube, dass uns das oft nicht bewusst ist, wenn wir in der Tretmühle des Lebens eingespannt sind und es auch bleiben. Die Möglichkeiten Einfluss zu nehmen auf dieses Gesamtgefüge sind so zahlreich! Nur haben wir großteils nicht gelernt, dass es sie überhaupt gibt.
Ich bin für eine Ausbildung, in der die Kinder ihren menschlichen Körper kennen- und nutzen lernen! Überhaupt sehe ich das Bewusstsein der Verbundenheit als übergeordnete Grundlage allen Lernens. Und das betrifft
- die Verbundenheit zum eigenen Körper (durch Ausleben der natürlichen Bewegungsbedürfnisse, Tanz, Sport, aber auch durch wohlige Berührung, Massage, bewusste Sexualität)
- die Verbundenheit mit den Mitmenschen (durch die Anerkennung unserer gegenseitigen Abhängigkeit, der natürlichen Neugier, durch Achtsamkeit, Wertschätzung, den natürlichen Impuls zur Zusammenarbeit, Spiel, Gespräche, …)
- die Verbundenheit mit anderen Lebewesen (durch die staunende Neugier, die Freude an Schönem, Besonderem, an einzigartigen Fähigkeiten und Formen, …)
- die Verbundenheit mit dem Kosmos (durch die Wahrnehmung unserer Herkunft und Beschaffenheit, den Drang zu verstehen, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Geborgenheit und Sinnhaftigkeit)
Abgeschnitten sein
Klar entsteht, wenn wir uns von uns selbst, von den anderen und der Welt abgeschnitten fühlen, Angst. Und in dieser Angst sind wir alle offen für jede Art von Rettung, die uns angepriesen wird. Panisch (siehe Stress!) und meist völlig unbewusst folgen wir allen „Hinweisen des Gesundheitsministers“, den Zeitungs- und Internetdoktoren, Finanzexperten und Junkfoodanbietern, die uns Erlösung, Glück und Gesundheit verheißen.
Menschen, die voll Selbstvertrauen in ihrem Dasein verwurzelt sind, brauchen sich nicht künstlich aufzuputschen, oder zu beruhigen, in keine virtuellen oder Urlaubs-Welten flüchten, sie brauchen keine TV-Helden, die für sie täglich das Leben leben und keine Medien, die ihnen das Denken abnehmen. Sie leben und denken und genießen selber im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Möglichkeiten.
Mein Wunsch
Ich bin für eine Ausbildung, die das Wissen um die Möglichkeiten unseres Menschseins einbezieht! So vieles wissen wir über die gesundheitsfördernden Wirkungen von Bewegung, von zwischenmenschlichem Austausch, von Geborgenheit, von sinnvoller Herausforderung und kreativem Ausdruck! Ich wünsche mir für unsere Kinder, dass ihnen dieses Wissen von Anfang an zugänglich gemacht wird. Besser ausgedrückt: dass sie von diesem Wissen, das sie ganz natürlich in sich tragen, nicht abgeschnitten werden durch Belehrung und Indoktrination.
Ich wünsche mir, dass wir Erwachsenen die Kraft und das Potenzial erkennen lernen, das in der nächsten Generation vor uns heran wächst. Und dass wir selber unser eigenes Potenzial wieder entdecken, das oft sehr tief verschüttet ist. Ich wünsche mir, dass wir alle miteinander lernen, wie einzigartig ausgestattet jede und jeder ihr bzw. sein Leben beginnt, und wie einzigartig wir alle zu dem beitragen, was wir vorfinden.
Mein eigener Weg führt mich immer wieder zu Menschen, die sich in unterschiedlicher Weise mit diesem Themenkreis befassen. Es gibt bereits sehr viele! Wir lernen! Und mein größter Wunsch ist, dass ich selber etwas beitragen kann, dass Menschen (wieder) in den Vollbesitz ihrer menschlichen Fähigkeiten gelangen.
In tiefer Verbundenheit
Gabi